Pager-Panik im Nahen Osten: Wenn Retro-Technik zur neuen Waffe wird
Chaos Karma Coder, 17.09.2024
Die Welt dreht sich, der Fortschritt schreitet voran – und doch: Willkommen im Jahr 2024, in dem Pager, die technologischen Dinosaurier der 90er, plötzlich wieder für Schlagzeilen sorgen. Ja, richtig gelesen: Pager. Diese handlichen Geräte, die in der Popkultur irgendwo zwischen VHS-Kassetten und Tamagotchis verstauben, haben sich scheinbar aus ihrem verdienten Ruhestand erhoben, um erneut im Rampenlicht zu stehen – diesmal allerdings nicht in der Notfallmedizin oder unter den Hipstern der IT-Szene, sondern auf den Schlachtfeldern des Nahen Ostens.
In einer Welt, die über Quantencomputer, künstliche Intelligenz und Laserwaffen diskutiert, explodieren in Beirut und Damaskus Pager. Jawohl. Diese nostalgischen Plastikklötze, deren letzte glorreiche Aufgabe es war, Ärzten zu sagen, dass die Galle von Zimmer 3 wieder drückt, lösen jetzt militärische Krisen aus. Es klingt fast wie das Drehbuch für den nächsten „Die Hard“-Film: „Pager Wars – Die Rückkehr der Funkmeldeempfänger“.
Die libanesische Hisbollah, immer am Puls der Zeit, meldete prompt mehrere Tote und Verletzte durch – man höre und staune – „explodierende Pager“. Offiziell wird natürlich noch „untersucht“, wer hinter diesem Hightech-Terrorismus steckt, aber seien wir ehrlich: Die Liste der Verdächtigen ist nicht lang. Alle Augen richten sich auf Israel, das aber mit majestätischer Gleichgültigkeit schweigt. Vielleicht werkeln sie gerade an der nächsten Generation von Disketten-Granaten oder Walkman-Minen?
Doch Moment – bevor wir zu tief in die Retro-Spionagethriller abdriften, erinnern wir uns daran, dass es hier um echte Opfer geht. Zwei Kämpfer der Hisbollah und ein unschuldiges Mädchen haben ihr Leben gelassen, weil jemand der Meinung war, die Zukunft der Kriegsführung läge in der Manipulation alter Telekommunikationsgeräte. Die Absurdität ist nicht zu überbieten: Während der Rest der Welt sich mit Cyberangriffen und Drohnen rumschlägt, werden im Nahen Osten Pager als Massenvernichtungswaffen reaktiviert.
Die Nachrichten reißen nicht ab: Auch in Syrien flogen Pager in die Luft. Im Herzen von Damaskus meldet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte verletzte Hisbollah-Mitglieder durch die Detonation – eines Pagers. Es ist fast so, als hätte jemand die Absurditätskiste aufgerissen und fröhlich über die Region gestreut. Ach, und nicht zu vergessen: Auch der iranische Botschafter im Libanon wurde Opfer dieser gefährlichen kleinen Dinger. Kein Wunder, dass die iranische Regierung sich sofort zu Wort meldet, denn wenn Pager explodieren, sind internationale Verwicklungen nicht weit.
Nun stellt sich die Frage: Haben die geheimen Machenschaften der Nachrichtendienste weltweit so verzweifelte Züge angenommen, dass man wieder zu einer Technik zurückgreifen muss, die zuletzt in den Händen von Pizzaboten und Krankenpflegern wirklich relevant war? Vielleicht. Oder vielleicht ist das Ganze ein genialer Marketing-Coup der letzten Pager-Hersteller, die verzweifelt versuchen, in einer Welt voller Smartphones, Smartwatches und smarter Kaffeemaschinen wieder relevant zu werden. „Pager: Jetzt mit Sprengkraft!“ – Wer würde da nicht zuschlagen?
Während also irgendwo ein Bürokrat verzweifelt die Handbücher für Pager aus den Archiven kramt, um herauszufinden, wie man sie explodieren lässt, bleibt uns anderen nur, den Kopf zu schütteln. Die Ironie dieser ganzen Geschichte ist so dick, dass man sie fast schneiden kann: In einer Region, die längst genug unter echten, realen Konflikten leidet, werden Menschen nun durch Geräte getötet, die seit über zwanzig Jahren in die Geschichtsbücher hätten wandern sollen.
Vielleicht ist das Ganze eine Metapher für die Art und Weise, wie die Welt mit alten Konflikten umgeht – sie lassen sich einfach nicht ausschalten. Sie explodieren wieder und wieder, selbst wenn sie längst veraltet sind. Die Opfer sind immer die gleichen, und die Verantwortlichen? Schweigen sich aus. Aber wer weiß? Vielleicht wird die nächste Front des Nahostkonflikts von explodierenden Faxgeräten und mordenden Modems dominiert. Ganz sicher ist nur: Wenn der Pager es zurück in die Schlagzeilen schafft, dann ist in dieser Welt wirklich alles möglich.